Der Landwirtschaftssektor steht vor neuen Herausforderungen. Im Zuge des Klimawandels müssen Strategien entwickelt werden, um negative Auswirkungen auf Ernten zu vermeiden. Der Obstbau in Deutschland ist bereits heute von den Folgen des Klimawandels betroffen: steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsverteilung und immer häufiger eintretende extreme Wetterereignisse wie Hagel und Starkregen. Der Erwerbsobstanbau setzt somit vermehrt Hagelschutznetze und Folien ein, um Qualitäts- und Ertragseinbußen zu verhindern.
Im Rahmen des Projekts »APV-Obstbau« soll untersucht werden, inwiefern die Agri-Photovoltaik (Agri-PV) diese Schutzfunktion im Apfelanbau übernehmen kann, welches Anlagendesign für diese Kultur sinnvoll ist und in welcher Art sich die Agri-PV-Anlage auf die Ernteerträge auswirkt.
Ziel des Projekts ist eine gesteigerte Resilienz im Obstbau sowie die doppelte und ressourceneffiziente Nutzung von Land. Einer Landnutzungskonkurrenz zwischen Photovoltaik-Freiflächenanlagen und der Landwirtschaft kann so entgegengewirkt werden.
Das Anlagendesign des installierten Agri-PV-Systems ist den praktischen Anforderungen des gewerblichen Bio-Obstanbaus angepasst, damit eine effiziente Bewirtschaftung nicht einzuschränken. Darüber hinaus soll die Überdachung durch die Agri-PV-Anlage die im Obstbau herkömmliche Schutzkonstruktionen, wie Hagelschutznetze und Folienüberdachung, ersetzen. Die Kultur soll so vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt werden. Auch eine mögliche Reduktion der Pflanzenschutzmittelgabe wird geprüft.
Das Ziel für einen Obstbau im Agri-PV-System ist nicht vorrangig eine Maximierung der Ernteerträge, sondern eine sichere und qualitativ hochwertige Apfelproduktion mit zusätzlicher Solarstromproduktion. Die generierte elektrische Energie soll in den vor- und nachgelagerten Bereichen der Apfelproduktion genutzt werden, beispielsweise durch den Einsatz von elektrifizierten Landmaschinen, den Betrieb von Bewässerungssystemen oder bei der Lagerung der Apfelernte im elektrisch betriebenen Kühlhaus.
Die Forschungsanlage wurde in Gelsdorf im Rheinland im Frühjahr des Jahres 2021 fertiggestellt. Die Installation ermöglicht es, die Praxistauglichkeit des erarbeiteten Konzepts unter realen Bedingungen zu analysieren. Hierzu wird die Agri-PV-Obstbauanlage insbesondere hinsichtlich des Lichtmanagements, des Anlagendesigns, der Landschaftsästhetik, ihrer Wirtschaftlichkeit, ihrer Sozialverträglichkeit und anhand agrarwissenschaftlicher Parameter untersucht.
Die Anlage umfasst fünf Versuchsvarianten: (1) Kontrollvariante mit betriebsüblichen Hagelschutznetzen, (2) Kontrollvariante mit Folienüberdachung (3) fixe Agri-PV-Anlage mit PV-Zellen im räumlich separierten Zebra-Design (4) nachgeführte Agri-PV-Anlage mit PV‑Zellanordnung im Block-Design (5) fixe Agri-PV-Anlage mit PV-Zellanordnung im Block-Design.
Zur Untersuchung der pflanzenbaulichen Parameter wurden acht verschiedene Apfelbaumsorten mit unterschiedlicher Sensibilitäten hinsichtlich diverser Umwelteinflüsse gepflanzt. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der Kompatibilität der Pflanzenansprüche mit einem Agri-PV-System. Der Großteil der pflanzenbaulichen Erkenntnisgewinne ist mit der ersten Vollernte im Herbst 2023 zu erwarten.
Der Projektteil zur gesellschaftlichen Akzeptanz und Sozialverträglichkeit beschäftigt sich mit möglichen Konflikten (Landnutzung, Verteilung, Prozessgerechtigkeit) innerhalb verschiedener betroffener Interessenskonstellationen. Darüber hinaus werden Bürgerveranstaltungen organisiert, für Obstbau-Betriebe ein Agri-PV-Obstbau Leitfaden erarbeitet und mit lokalen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern die Chancen geprüft, die Agri-PV-Technologie in den bestehenden Klimaschutzplan zu integrieren.
Das Projektkonsortium hat eine Übersicht der häufigsten Fragen hinsichtlich der Umsetzung der Anlage, der Wirtschaftlichkeit sowie dem Forschungskonzept zusammengestellt.